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Verarbeitungsverzeichnis nach Art. 30 DSGVO: Schritt-für-Schritt Anleitung

© DSC Ltd.25. Mai 202510 Min. Lesezeit
Verarbeitungsverzeichnis nach Art. 30 DSGVO: Schritt-für-Schritt Anleitung

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Verarbeitungsverzeichnis nach Art. 30 DSGVO: Schritt-für-Schritt Anleitung

Das Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten (VVT) ist ein zentrales Dokument der DSGVO-Compliance. Es dient als Nachweis gegenüber Aufsichtsbehörden und hilft Ihnen, den Überblick über Ihre Datenverarbeitungen zu behalten. Diese Anleitung zeigt Ihnen, wie Sie ein rechtssicheres VVT erstellen.

Was ist ein Verarbeitungsverzeichnis?

Das Verarbeitungsverzeichnis dokumentiert alle Prozesse in Ihrem Unternehmen, bei denen personenbezogene Daten verarbeitet werden. Es ist nach Art. 30 DSGVO für die meisten Unternehmen verpflichtend.

Wer muss ein VVT führen?

- Alle Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern
- Kleinere Unternehmen, wenn die Datenverarbeitung:
- nicht nur gelegentlich erfolgt
- ein Risiko für die Rechte der Betroffenen birgt
- besondere Kategorien von Daten umfasst
- strafrechtliche Daten umfasst

Praxistipp: In der Realität benötigen fast alle Unternehmen ein VVT, da kaum ein Unternehmen nur "gelegentlich" personenbezogene Daten verarbeitet.

## Aufbau des Verarbeitungsverzeichnisses

### 1. Allgemeine Angaben zum Verantwortlichen

- Name und Kontaktdaten des Unternehmens
- Gesetzlicher Vertreter
- Datenschutzbeauftragter (falls vorhanden)

### 2. Verarbeitungstätigkeiten

Für jede Verarbeitungstätigkeit müssen folgende Informationen dokumentiert werden:

a) Zwecke der Verarbeitung
Warum werden die Daten verarbeitet? Beispiele:
- Personalverwaltung
- Kundenverwaltung
- Marketing
- Buchhaltung

#### b) Kategorien betroffener Personen
Welche Personengruppen sind betroffen? Beispiele:
- Mitarbeiter
- Kunden
- Interessenten
- Lieferanten

#### c) Kategorien personenbezogener Daten
Welche Arten von Daten werden verarbeitet? Beispiele:
- Kontaktdaten
- Vertragsdaten
- Zahlungsdaten
- Gesundheitsdaten

#### d) Kategorien von Empfängern
An wen werden die Daten weitergegeben? Beispiele:
- Interne Abteilungen
- Dienstleister (Auftragsverarbeiter)
- Behörden
- Andere Dritte

#### e) Übermittlungen an Drittländer
Werden Daten außerhalb der EU/EWR verarbeitet? Falls ja:
- Zielland
- Angemessenheitsbeschluss oder geeignete Garantien
- Dokumentation der Garantien

#### f) Löschfristen
Wann werden die Daten gelöscht? Beispiele:
- Nach Vertragsende plus gesetzliche Aufbewahrungsfristen
- Nach Zweckerreichung
- Nach Widerruf der Einwilligung

#### g) Technische und organisatorische Maßnahmen (TOMs)
Welche Sicherheitsmaßnahmen schützen die Daten? Beispiele:
- Zugangs- und Zugriffskontrolle
- Verschlüsselung
- Pseudonymisierung
- Datensicherung

## Schritt-für-Schritt zur Erstellung eines VVT

### Schritt 1: Bestandsaufnahme

1. Identifizieren Sie alle Verarbeitungstätigkeiten
- Befragen Sie alle Abteilungen
- Prüfen Sie vorhandene Systeme und Anwendungen
- Berücksichtigen Sie auch analoge Verarbeitungen

2. Gruppieren Sie ähnliche Verarbeitungen
- Nach Zwecken
- Nach betroffenen Personengruppen
- Nach Verarbeitungsprozessen

### Schritt 2: Informationen sammeln

Für jede identifizierte Verarbeitungstätigkeit:

1. Zweck definieren
- Warum werden die Daten verarbeitet?
- Welches Ziel wird verfolgt?

2. Rechtsgrundlage bestimmen
- Art. 6 DSGVO (z.B. Einwilligung, Vertrag, berechtigtes Interesse)
- Bei besonderen Kategorien: Art. 9 DSGVO

3. Datenfluss analysieren
- Woher kommen die Daten?
- Wo werden sie gespeichert?
- An wen werden sie weitergegeben?

4. Löschkonzept entwickeln
- Wann ist der Zweck erfüllt?
- Welche gesetzlichen Aufbewahrungsfristen gelten?

### Schritt 3: Dokumentation erstellen

1. Format wählen
- Excel/Tabellenkalkulation
- Spezielle DSGVO-Software
- Textdokument

2. Struktur aufbauen
- Allgemeine Angaben zum Unternehmen
- Separate Abschnitte für jede Verarbeitungstätigkeit
- Anhänge für detaillierte TOMs

3. Inhalte eintragen
- Alle Pflichtangaben nach Art. 30 DSGVO
- Zusätzliche hilfreiche Informationen (z.B. Ansprechpartner)

### Schritt 4: TOMs dokumentieren

1. Bestehende Maßnahmen erfassen
- Technische Maßnahmen (Firewalls, Verschlüsselung, etc.)
- Organisatorische Maßnahmen (Zugriffsrechte, Schulungen, etc.)

2. Lücken identifizieren
- Risikobewertung durchführen
- Angemessenheit der Maßnahmen prüfen

3. Maßnahmen dokumentieren
- Konkret und nachvollziehbar
- Mit Implementierungsstatus

### Schritt 5: Regelmäßige Aktualisierung

1. Überprüfungsintervalle festlegen
- Mindestens jährlich
- Bei wesentlichen Änderungen sofort

2. Verantwortlichkeiten definieren
- Wer meldet Änderungen?
- Wer aktualisiert das VVT?

3. Versionierung einführen
- Änderungshistorie führen
- Alte Versionen archivieren

## Häufige Fehler und wie Sie sie vermeiden

### 1. Unvollständige Erfassung
Problem: Nicht alle Verarbeitungstätigkeiten werden erfasst.
Lösung: Systematische Befragung aller Abteilungen und Prozessverantwortlichen.

### 2. Zu allgemeine Beschreibungen
Problem: Zwecke und Maßnahmen werden zu vage beschrieben.
Lösung: Konkrete, nachvollziehbare Formulierungen verwenden.

### 3. Fehlende Aktualisierung
Problem: Das VVT wird nach der Ersterstellung nicht mehr gepflegt.
Lösung: Regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung im Qualitätsmanagement verankern.

### 4. Unzureichende TOMs
Problem: Sicherheitsmaßnahmen werden nur oberflächlich beschrieben.
Lösung: Konkrete technische und organisatorische Maßnahmen mit Implementierungsstatus dokumentieren.

### 5. Fehlende Löschkonzepte
Problem: Keine konkreten Löschfristen definiert.
Lösung: Für jede Datenkategorie konkrete Fristen und Löschroutinen festlegen.

## Praxisbeispiel: Verarbeitungstätigkeit "Personalverwaltung"

### Zweck der Verarbeitung
- Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses
- Gehaltsabrechnung
- Personalentwicklung

### Kategorien betroffener Personen
- Mitarbeiter
- Bewerber
- Ehemalige Mitarbeiter

### Kategorien personenbezogener Daten
- Stammdaten (Name, Adresse, Geburtsdatum)
- Vertragsdaten (Position, Gehalt, Arbeitszeit)
- Qualifikationen und Beurteilungen
- Gesundheitsdaten (Krankheitstage, Schwerbehinderung)
- Bankverbindung

### Kategorien von Empfängern
- Interne Empfänger: Personalabteilung, Vorgesetzte, Buchhaltung
- Externe Empfänger: Steuerberater, Sozialversicherungsträger, Banken

### Übermittlungen an Drittländer
- Keine

### Löschfristen
- Bewerberdaten: 6 Monate nach Absage
- Personalakten: 3 Jahre nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses
- Lohnabrechnungen: 10 Jahre (gesetzliche Aufbewahrungsfrist)

### Technische und organisatorische Maßnahmen
- Zugriffsbeschränkung auf HR-Mitarbeiter
- Verschlüsselte Speicherung
- Verschlüsselte E-Mail-Kommunikation
- Physische Sicherung der Personalakten
- Regelmäßige Schulungen der HR-Mitarbeiter

## Tools und Vorlagen

### Excel-Vorlagen
- Einfach anzupassen
- Kostengünstig
- Gut für kleine Unternehmen

### DSGVO-Software
- Automatisierte Aktualisierungserinnerungen
- Integrierte Risikobewertung
- Geeignet für mittlere und große Unternehmen

### Word-Vorlagen
- Flexibel gestaltbar
- Gut für detaillierte Beschreibungen
- Einfach zu drucken

## Fazit

Ein vollständiges und aktuelles Verarbeitungsverzeichnis ist nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern auch ein wertvolles Instrument für Ihr Datenschutzmanagement. Es schafft Transparenz über Ihre Datenverarbeitungen und hilft, Risiken zu identifizieren und zu minimieren.

Die Erstellung erfordert zwar einen gewissen Aufwand, zahlt sich aber durch rechtliche Sicherheit und verbesserte Datenschutzprozesse aus. Mit der systematischen Vorgehensweise in dieser Anleitung können Sie ein rechtssicheres VVT erstellen und pflegen.

Brauchen Sie Unterstützung bei der Erstellung Ihres Verarbeitungsverzeichnisses? Unsere Datenschutzexperten helfen Ihnen gerne weiter.

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